Es gibt Geschichten, die sich nicht mit einem einfachen Urteil von Gut und Böse erzählen lassen. Die Geschichte von Monika Ertl ist eine davon.
Sie war eine Frau zwischen den Welten. Geboren 1937 in München, als Tochter von Hans Ertl, einem berühmten Kameramann, der für Leni Riefenstahl und das Propagandaministerium der Nazis arbeitete. Nach dem Krieg floh die Familie nach Bolivien, wo Hans Ertl versuchte, in der Weite Südamerikas seine Vergangenheit zu vergessen. Er wurde zu einem Entdecker, einem Filmemacher, einem Mann, der sich in der Unberührtheit der Natur neu erfinden wollte. Seine Tochter Monika jedoch wählte einen anderen Weg.
Bolivien in den 1960er Jahren war kein Zufluchtsort. Es war ein Pulverfass. Während Monika in ihrer Kindheit wohlbehütet auf der Farm der Familie aufwuchs, tobte um sie herum die Weltpolitik. Der Kalte Krieg hatte Südamerika fest im Griff. Und dann kam Che.
Als Ernesto „Che“ Guevara 1967 in Bolivien von der CIA und dem bolivianischen Militär gejagt und schließlich hingerichtet wurde, wurde sein Leichnam zur Trophäe. Sein abgetrennter Kopf wurde der Presse präsentiert, seine Hände amputiert, sein Körper an einem geheimen Ort verscharrt. Einer der Männer, die für diese Tat verantwortlich waren, war Roberto Quintanilla Pereira, ein hochrangiger bolivianischer Geheimdienstoffizier.
Monika Ertl, einst Tochter eines Nazi-Kameramanns, wurde zur Kämpferin für die Revolution. Sie schloss sich der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) an – jener Guerillagruppe, die Guevaras Vermächtnis weitertragen wollte. Ihre Waffe war nicht die Kamera, sondern der Revolver.
Am 1. April 1971 betrat eine Frau das bolivianische Konsulat in Hamburg. Ihr Name auf den Papieren: Maria Berger. Sie war höflich, unscheinbar, gut gekleidet. Roberto Quintanilla Pereira erkannte die Gefahr nicht. Als er mit ihr sprach, zog sie ihre Waffe. Drei Schüsse in die Brust – und er war tot. Auf seiner Leiche hinterließ sie eine Botschaft: „Victoria o muerte“ – Sieg oder Tod.
Die deutsche Presse war schockiert. Eine Frau als Attentäterin? Eine Deutsche, die in den internationalen Terrorismus abdriftete? Der „Spiegel“ schrieb damals von einer „Lady mit der Pistole“, während die linke Presse sie als „Che Guevaras Racheengel“ feierte.
Doch Revolutionen sind keine Romane, und Gerechtigkeit ist selten poetisch. Monika Ertl war nun eine Gejagte. Zwei Jahre lang lebte sie im Untergrund, immer auf der Flucht. Schließlich verriet sie jemand. Im Mai 1973 wurde sie in El Alto, einer Stadt nahe La Paz, gefasst.
Es gab keinen Prozess. Keine Schlagzeilen. Keine letzte Botschaft. Sie wurde gefoltert, erschossen und verscharrt. Ihr Körper wurde nie gefunden.
Heute ist ihr Name fast vergessen. War sie eine Freiheitskämpferin oder eine fanatische Attentäterin? Die Geschichte hat sich längst entschieden, indem sie sie ins Vergessen schob. Doch manchmal taucht ihr Name wieder auf – in alten Berichten, in Dokumentationen, in verschwommenen Erinnerungen an eine Zeit, in der Menschen bereit waren, für eine Idee zu sterben.
Monika Ertl war eine dieser Menschen.
(Quellen: Wikipedia, Dokumentarfilm „Wanted: Monika Ertl“, Roman „Los Afectos“ von Rodrigo Hasbún, Spiegel-Archiv)
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Mein Sahnehäubchen des diesjährigen Weltfrauentags.